Energie aus Biomasse – Flexibilisierung von Kläranlagen

3.2 Zum Vergleich: Diskussion um Biogasanlagen

Dass ein ethischer Reflexionsbedarf auch dann gegeben ist, wenn ein Vorhaben grundsätzlich begrüßenswert erscheint (oder auch ist), zeigt sich auch mit Blick auf die Energieerzeugung in Biogasanlagen.

Eine Biogasanlage fotografiert von Gerald Krieseler (pixabay).

Auch diese weist viele in umwelt- wie sozialethischer Hinsicht positive Aspekte auf: Sie liefert eine weitgehend CO2-neutrale Energie unter Verwendung nachwachsender Rohstoffe, bietet Möglichkeiten Rest- und Abfallstoffe aus dem Bereich Land- und Forstwirtschaft zu verwerten und stärkt den ländlichen Raum in sozialer und ökonomischer Hinsicht. Gleichwohl wird sie seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert – und auch hier geht es um Folgewirkungen, die so zwar nicht beabsichtigt sind, mit denen aber zu rechnen ist. Drei Aspekte seien angedeutet:

 

·         Als direkte oder indirekte Folge der Biogasproduktion können Substanzen in Luft, Böden oder Gewässer gelangen, die dort zu Störungen von Stoffkreisläufen führen, Flora und Fauna gefährden und letztlich auch Wohlbefinden und Gesundheit der Menschen beeinträchtigen können.

 

·         Wenn das Biogas aus eigens zu diesem Zweck angebauter Biomasse (Energiepflanzen) erzeugt wird, kann dies zur Flächenkonkurrenz, zur Ausweitung von Monokulturen (damit zur Gefährdung von Biodiversität) und ggf. zur Verteuerung von Nahrungsmitteln führen. Falls Biomasse für den Zweck der Biogaserzeugung importiert wird, können diese Probleme auch exportiert werden – u.U. auch in Länder, in denen sie aufgrund einer schwierigeren Ernährungssituation noch gravierendere Folgen haben.

 

·         Da Biogasanlagen auch für Reststoffe aus der Fleischproduktion (z.B. Gülle) eine attraktive Verwertungsform darstellen, kann diese den Handlungsdruck reduzieren, die aus umwelt-, klima- und gesundheitspolitischen Gründen dringend notwendige Reduzierung der Fleischproduktion voranzutreiben. Das „eigentliche Problem“ liegt in diesem Fall zwar im aktuellen Agrar- und Ernährungssystem und nicht im Kontext der Biogaserzeugung, sondern zeigt sich hier nur – zugleich jedoch sorgt die Verwertung der Reststoffe für eine scheinbare (!) Entschärfung des Problems.

 

 

Interview mit Dr. Jörg Kretzschmar vom Deutschen Biomasseforschungszentrum

über die Verwertung von Rest- und Abfallstoffen, den Chancen, Potentialen sowie Risiken und Gefahren:

 

 

Das "eigentliche Problem" liegt im aktuellen Agrar- und Ernährungssystem

Angesichts dieser und ähnlicher möglicher Folgewirkungen der Biogaserzeugung durch Biogasanlagen hat die ethisch-kritische Reflexion dazu geführt, die Risiken durch eine entsprechende Gestaltung der Verfahren, technische Vorkehrungen, rechtliche Regulierungen und politische Vorgaben so weit wie möglich zu reduzieren.

 

Auch wenn mit Blick auf Kläranlagen manche der genannten Probleme nicht relevant sind (z.B., weil ohnehin nur biogene Rest- und Abfallstoffe als Co-Substrate in Frage kommen und dabei besonders problematische Stoffe wie etwa Gülle gar nicht verwendet werden können), müssen auch hier Risiken und mögliche negative Folgewirkungen identifiziert und frühzeitig berücksichtigt werden.