SWS Studie

4. Einleitung

Wer in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft Verantwortung trägt und sich der geschilderten Hindernisse bewusst ist, geht mit den genannten Herausforderungen transparent und planvoll um und gibt sich keinen schlichten Plan- oder Machbarkeitsillusionen hin: Er oder sie ist sich bewusst, dass in komplexen Verhältnissen niemand alles weiß, und rechnet stets damit, dass Unberechenbares geschehen kann. Er oder sie versteht, dass es geeignete formelle und informelle Institutionen, national wie international, braucht, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden und dass unterschiedliche Interessensgruppen die Komple-xität zu ihrem eigenen Vorteil missdeuten und ausnutzen können. Transformationspolitik muss deshalb auch die Machtungleichgewichte adressieren, die notwendige Veränderungen verhindern, um den Status Quo zu erhalten.
Zudem gilt es, so gut wie möglich das Potenzial anderer gesellschaftlicher Transformationsprozesse zu nutzen, die mit dem sozial-ökologischen Wandel nicht ursächlich verbunden sind. Dies gilt beispielsweise für die Digitalisierung, die u. a. in der industriellen Ferti-gung, bei der Lenkung und Vermeidung von Verkehr, im Energiemanagement oder der städtischen Infrastruktur deutlich zur Senkung des Ressourcenverbrauchs beitragen kann.51 Digitalisierung sollte dabei jedoch nicht bloß althergebrachte Praktiken beschleunigen und fest-schreiben, da dann die Gefahr besteht, viele der bereits beschriebenen Ungleichheiten und Probleme zu verstärken. Vielmehr geht es darum, das Silo-Denken durch ein zeitgemäßes Netzwerk-Denken zu ersetzen, das neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet, gleichzeitig aber auch die unterschiedlichen Verantwortungsebenen klar aufzeigt und kooperativ verknüpft. Im Wissen um diese Verknüpfungen muss eine Transformationsstrategie also auch partizipativ und lernend-reflexiv gestaltet sein.
In Anlehnung an das bekannte Bild der „schöpferischen Zerstörung“, das der Ökonom und Soziologe Joseph Schumpeter52 in seiner Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung verwendete, braucht es dafür innovatives „Unternehmertum“ im weitesten Sinne: Innovator/innen, die bereit sind, mögliche Alternativen zu gewohnten und scheinbar unveränderlichen Routinen, Technologien oder Strukturen frühzeitig zu entdecken und zu realisieren. Gefragt sind politische Verantwortliche, die mutig nachhaltigkeitsförderliche Strukturreformen auf den Weg bringen, klassische Unternehmer/innen, aber auch Akteur/innen des Wandels in anderen gesellschaftlichen Bereichen, von der Wissenschaft über die Zivilgesellschaft bis hin zur Kirche. Wo auch immer sie Routinen infrage stellen, Muster brechen und nicht mehr zeitgemäße Pfade verlassen, und stattdessen soziale und technologische Innovationen im Dienst des Gemeinwohls – auch gegen Widerstände – vorantreiben, leisten sie als Pionier/innen einen „schöpferischen“ Beitrag zum sozial-ökologischen Wandel.